Zu Dir nehmen wir unsere Zuflucht - Erneuerung der Marienweihe der Diözese

Montag, 7. Oktober 2024

„Zu Dir nehmen wir unsere Zuflucht in dieser Stunde der Finsternis“, so heißt es im Weihegebet unserer Diözese, die Bischof Sproll im Kriegsjahr 1943 aus dem Exil angeregt und am 3. Oktober vollzogen hat.

Offizial Thomas Weißhaar griff dieses Zitat in seiner Predigt am 3. Oktober anlässlich der Erneuerung der Marienweihe der Diözese auf.

Mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen wir die Predigt:

Liebe Schwestern und Brüder,

„Zu Dir nehmen wir unsere Zuflucht in dieser Stunde der Finsternis“, das ist nicht nur ein frommer Akt, das ist nicht nur Ausdruck einer besonderen Beziehung zur Gottesmutter, das war zur damaligen Zeit, die Niederlage von Stalingrad war gerade vorbei und Goebbels reklamierte den totalen Krieg gegen alle Feinde, auch eine politische Aussage. Das war eine Aussage gegen ein politisches System, dass sich selbst absolut gesetzt hat, dass keine Rechte von einzelnen Menschen mehr kennen wollte, sondern nur noch das Recht einer Volksgemeinschaft, wobei das politische System dann auch für sich in Anspruch nahm zu definieren, wer zu dieser Volksgemeinschaft gehört und wer nicht.

"Was er auch sagt, das tut ..."

Was er euch sagt, das tut, liebe Schwestern und Brüder, Maria vertraut im heutigen Evangelium die ganz konkrete Not des Brautpaares ihrem Sohn an, der sich doch eigentlich gar nicht so offen für das Anliegen von Maria gezeigt hat. Sie vertraut darauf, dass er sich einsetzen wird für die Menschen. Sie lenkt den Blick damals und auch unseren Blick heute auf seine Weisungen, auf das Lebensbeispiel Jesu, auf seinen Einsatz für die Armen und Bedrängten.

Eine Anfrage an mich selber ...

„Was er euch sagt, das tut“, liebe Schwestern und Brüder, mein Glaube, aber auch die Überzeugung unserer Verfassung gehen davon aus, dass es Rechte gibt, die jeder staatlichen Gewalt vorausgehen, dass ich mir als Mensch meine Würde nicht verdienen kann, aber auch eben auch nicht verdienen muss. Dass jedes menschliche Leben auf dieser Welt das gleiche Recht auf Leben, den gleichen Anspruch auf Teilhabe, ja den gleichen Anspruch auf Gerechtigkeit besitzt. Deswegen ist der Blick auf Maria und auf die vielen anderen Menschen, die aufgrund ihres Glaubens sich für Gerechtigkeit und Frieden eingesetzt haben und bis heute einsetzen auch immer eine Anfrage an mich selber, eine Anfrage an meinen eigenen Glauben, eine Anfrage an meine konkreten Bezüge in denen ich lebe. Eine Anfrage vielleicht gerade auch für die Situationen, wo ich Konflikten aus dem Weg gehe, wo ich für diese Überzeugung nicht Partei ergreife, wo ich still werde, obwohl meine Stimme dringend gebraucht würde.

Liebe Schwestern und Brüder, „was er euch sagt, das tut“, in einem Land, wo eine Fraktion im Bundestag vor einigen Jahren in einer Anfrage nach den Kosten von behinderten Menschen für die Gesellschaft fragt; in einem Land, wo in Internetforen Hassbotschaften ausgetauscht werden und ganzen Gruppen von Menschen das Recht auf Leben abgesprochen wird; in einem Land, wo Sätze ausgesprochen werden, die ich mir vor wenigen Jahren nicht vorstellen konnte.

„Wir haben damals geschwiegen, als die Synagogen gebrannt haben. Wer wird für uns schreien, wenn einmal die Kirchen brennen“, so hat Sproll im Exil selbstkritisch geschrieben. Bischof Sproll ließ sich betreffen vom Leid der Menschen, von den Sorgen und Nöten, ja auch von der Frage nach Gott in all den Dingen und er hat seine Antwort in seinem Handeln und mit der Marienweihe gegeben. Bis heute beeindruckt mich das Gebet, finden sich bis heute Sätze, die auch in unsere Zeit, in unsere Situation gesprochen sein könnten. Doch es ist mit der Erneuerung der Marienweihe heute nicht getan, sie muss folgen haben für mein Leben, sie muss sich ausdrücken auch im konkreten Widersprechen, wo heute Werte mit Füßen getreten werden, wo wieder von gewissen gesellschaftlichen Gruppen der Ruf nach einem starken Mann oder einer starken Frau laut wird, wo heute die Vergangenheit und ihre Verbrechen negiert oder verharmlost werden.

"Die Welt braucht keinen Führer, sie braucht einen Erlöser"

„Die Welt braucht keinen Führer, sie braucht einen Erlöser“, so hat der Künstler, der die Kirche in Bieringen hier nahe bei Rottenburg ausgestaltet hat im Dritten Reich gesagt. „Die Welt braucht keinen Führer, sie braucht einen Erlöser“, zu ihm führt uns die Gottesmutter, wenn wir ihr uns anvertrauen. Amen