Lieber patschnass bei Jesus ankommen, als es – vor lauter Angst – nie probiert zu haben.

Montag, 14. August 2023

"Lieber patschnass bei Jesus ankommen, als es – vor lauter Angst – nie probiert zu haben", so motiviert Domkapitular Holger Winterholer bei seiner Predigt zum Sonntagsevangelium, das vom Sturm auf dem See berichtet. Die Predigt motiviert, mit dem Blick auf Jesus Wagnisse einzugehen.

Mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen wir die Predigt:

Liebe Schwestern und Brüder, „Glauben“ heißt im hebräischen ursprünglich: sich von Gott tragen lassen, wie ein Kind sich von der Mutter tragen lässt.

Das ist ein wunderschönes Bild: Glaube heißt, gehalten, getragen und geborgen sein. In unserer heutigen Zeit trägt ein solches Bild nicht mehr so viele Menschen: man will sich von nichts und niemandem tragen lassen, sondern sich selber tragen. Alles will selbst erreicht werden und das Vertrauen wird in die Technik und in die Wissenschaft gesetzt. In vielen Situation geht das sicherlich.

Und doch wissen wir alle: im Letzten ist das nicht möglich. Denken wir nur an Schicksalsschläge, an Krankheit, an Unfälle und schließlich an den Tod selbst. Den festen Boden unter unseren Füßen können wir uns selbst nicht zusammen zimmern! Wir können das Fundament, das uns trägt, nicht selbst herstellen. Vielmehr muss es uns geschenkt werden.

Das Evangelium - eine Lehrstunde für unser Leben

Und was das heißt, macht Jesus uns deutlich. Das heutige Evangelium ist eine Lehrstunde für unser Leben, für unser Glaubensleben. Schauen wir deshalb nochmals genauer auf die Geschichte, die uns von und mit Jesus erzählt wird.

Da kam Jesus vom Berg, als er auf dem Wasser seinen von den Wellen bedrängten Jüngern nachging. Er kam aus dem Gebet. Er war allein bis spät in die Nacht, er kam so aus dem Einsamsein mit seinem Vater. So zeigt sich uns der betende Jesus und er macht deutlich, wie wichtig und Zentral das Gebet ist. Jesus hat einen schweren Tag hinter sich. Er hat gepredigt. Er hat die Sorgen der Leute angehört. Er hat Kranke geheilt und schließlich einer riesigen Menge zu essen gegeben. Er ist erschöpft und doch kniet er nieder, um dem himmlischen Vater für diesen Tag zu danken und für die Menschen zu bitten. Jesus ist vertieft im Gebet mit seinem himmlischen Vater.  Das Gebet ist das Zentrum der Gottesbeziehung! 

Eine ganz zentrale Säule unseres Fundaments: das Gebet

Das ist eine ganz zentrale Säule unseres Fundaments: das Gebet. Wir leben aus der Gottesbeziehung und deshalb müssen wir tief im Gebetsleben verankert sein. Wie steht es um unser Morgengebet, das Tischgebet und schließlich das Abendgebet. Pflegen wir wie Jesus unser „Einsamsein“ mit dem Vater?

Die rudernden Jünger und die Zusage Jesu "Ich bin da!"

Ein zweiter Blick richtet sich für mich auf die rudernden Apostel. Sie mühen sich und plagen sich, trotzdem kommen sie nicht voran. Ist das nicht auch Haltung in unserer heutigen Zeit? Wir mühen und plagen uns ab, so manche empfinden sich im Hamsterrad von Not, Sorgen und Ängsten getrieben. Ja, das ist so! Und das ist schwer und erdrückend! – Jede und jeder spürt das im eigenen Leben! Wie ist es um uns und unsere Kräfte bestellt?

Zu den rudernden Jüngern kommt Jesus. Er geht gegen die Gesetzmäßigkeiten der Natur auf dem Wasser. Das ist nicht zu fassen für die Jünger damals! Kein Wunder also, dass die Jünger meinten, es mit einem Gespenst zu tun zu haben und sich fürchten und aufschreien. Doch Jesus lässt sich nicht abhalten. Er ist in der Not den Menschen nahe. Er spricht und ermutigt: Habt Vertrauen, ich bin es. Fürchtet euch nicht.

Und dann, liebe Schwester und Brüder, spüren die Jünger im Boot: Der Glaube ist kein Hirngespinst. Das Dasein Jesu beruhigt das aufgewühlte Herz der sturmgebeutelten Jünger: „Ich bin da.“. Von dieser Zusage kann man zehren – auch heute noch! Von diesem Versprechen lebt ein Christ – auch heute noch! Ja, das ist unser Glaube!

Das Wasser trägt

An Petrus können wir es ablesen: aus dieser Erfahrung fasst er Mut und lässt sich von Jesus rufen: „Komm!“ – Was dann folgt, darf man in Zeitlupe mitverfolgen. Mutig klettert Petrus hinaus aufs Wasser. Er erfährt: ja, das Wasser trägt. Petrus geht einige Schritte auf Jesus zu. Doch dann überkommt ihn die Angst und die Zweifel werden groß. Er sieht den Sturm und wendet seinen Blick von Jesus ab. Das kennen wir doch auch!

Wenn wir unseren Blick von Jesus abwenden und nur noch die Nöte, Sorgen und Zweifel sehen, dann ist die Gefahr groß, dass wir untergehen. Halten wir den Blick immer auf Jesus gerichtet. Das ist die zweite wichtige Säule unseres Glaubensfundament. Den Blick auf Jesus gerichtet werden Not und Ängste nicht kleiner, doch sie erhalten ein anderes Gewicht.

Jesus unterstützt Petrus und lockt ihn: "Komm!"

Liebe Schwestern und Brüder! 

Jesus kritisiert ihn nicht! Nur seinen mangelnden Mut und seine wankelmütige Zielstrebigkeit benennt er. Doch Jesus ergreift seine Hand und rettet ihn! Den Aufbruch und den Wagemut beanstandet Jesus nicht. Im Gegenteil. Er unterstützt Petrus und lockt ihn selbst mit der Aufforderung: „Komm!“

Man könnte fast sagen: Lieber patschnass bei Jesus ankommen, als es – vor lauter Angst – nie probiert zu haben. Lieber aufrecht sich den Stürmen stellen, als vermeintlich sicher an Bord den eigenen Ängsten zu frönen. Lieber auf sein Wort „komm“ vertrauen, als auf Besserwisser zu hören, die uns zuflüstern: „Das kann doch nur schiefgehen!“.

Der Wagemut des Glaubens und die Grenze des Vertrauens

Das ist Glaube! Der Wagemut des Glaubens und gleichzeitig die Grenze des eigenen Vertrauens. Eine Erfahrung, die Petrus und wohl uns allen auf dem Weg unseres Glaubens nicht erspart bleibt. Denn erst daran wächst unser Glaube!

So sind auch wir heute ermutigt auf Jesu Wort zu hören: „Ich bin es, fürchtet euch nicht!“ Wenn wir nur das eine behalten: „Habt Vertrauen, ich bin es. Fürchtet euch nicht!“  dann haben wir das Wichtigste schon gelernt. In den Stürmen unseres Leben dürfen wir heute sein Wort an uns hören: „Fürchtet euch nicht! – Ich bin es!“

Auch uns ist es ist nicht versprochen, dass die Lebensstürme ausbleiben werden, dass jeder Ruderschlag vorangeht und das Schiff ruhig seine Bahnen zieht. Aber eins ist uns zugesagt: Jesus ist der Sohn Gottes, der auf der stürmischen See mit den Seinen ist. Patschnass durch die Lebensstürme dürfen wir bei Jesus sein. Das ist unser Glaube!

So ist der Sturm gebannt.